Der kühle Winterwind pfeift durch die Stadt, die Dächer sind gezuckerte mit frisch
gefallenem Schnee und ich mache mich auf zu einem kleinen Spaziergang. Und während
ich so durch die Gässchen in Bayreuth schlendere, fühlt sich mein kleiner Streifzug wie in
einem meiner liebsten Weihnachtsgedichte von Joseph von Eichendorff an: „Markt und
Straßen stehn’ verlassen, still erleuchtet jedes Haus, sinnend geh’ ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.“ Halt, stopp: Festlich?
Für den Romantiker Eichendorff hatten die Weihnachtsdekorationen in den Fenstern, die
leer gefegten Straßen und der Kreis aus tanzenden Schneeflocken vermutlich wirklich
etwas festliches. Heut fühlt es sich für mich eher traurig an. Würde doch sonst hier reges
Treiben herrschen, die Marktleute ihre Waren feil bieten und Musik durch die Gassen
dringen. Stattdessen hat sich in den letzten Wochen eine große, noch nie gekannte Stille
über die Stadt und über die ganze Welt gelegt. Alles klingt wie gedämpft. Und das macht
mich ein wenig traurig. Doch gleichzeitig ist da etwas in der Luft, das fast magisch wirkt.
Diese Schönheit der Stadt, die in den stillen Details steckt, die jetzt auf einmal ganz
deutlich zu sehen und zu hören sind.
So ist da zum Beispiel das Plätschern des kleinen Brunnens am Kirchplatz vor der
Stadtkirche, das Zwitschern der Vögel in der Ferne oder dieses kleine, süße Häuschen,
das aussieht, als hätte es sich zwischen seinen beiden Nachbargebäuden
hindurchgedrängt. Als ich die Stadtkirche umrunde, sehe ich das stilisierte Kirchenfenster,
dass einen Glasbruch darstellen soll. Eine Verewigung aus dem 30-jährigen Krieg, als eine
Kanonenkugel durch das Fenster geschlagen ist und wie durch Gottes Hand kein Mensch
in der voll besetzten Kirche zu Schaden gekommen ist.
Weiter auf meinem Weg begleitet vom Klackern meiner Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster,
komme ich durch die leere Friedrichstraße, in der nicht wie sonst Autos fahren und parken.
Sie hat sich wirklich den Beinamen ‚Prachtstraße von Bayreuth‘ verdient. Vorbei an Jean
Pauls Sterbehaus sehe ich auch das Schild, das darauf hinweist, dass hier die erste
Bayreuther Universität angesiedelt war. Habt ihr es schon mal entdeckt? Als ich links in die
Ludwigstraße abbiege, erzählen alle Gebäude um mich herum ihre Geschichte: das
ehemalige Waisenhaus, die Reithalle der Markgräfin sowie das Wohnhaus von Mozarts
Cousine. Es fühlt sich so an, als wäre ich ins markgräfliche Zeitalter zurückversetzt
worden. Nicht umsonst diente dieser Teil der Stadt schon als Filmkulisse. Auch hier reihen
sich wunderschöne Häuser aneinander bis hin zum von gestutzten Linden umrahmten
Neuen Schloss. Auch hier fällt mir zum ersten Mal auf, dass nicht nur der Mittelbau des
Schlosses kunstvoll gestaltet ist, sondern ebenso die gegenüberliegende Regierung von
Oberfranken.
Weitere schöne, stille Details, die ich entdecke, sind beispielsweise das goldene Kreuz auf
dem Schlossturm, welches man aus dem Hofgarten sehr gut sehen kann, der Grabstein
von Richard Wagners Lieblingshund Russ oder die grüne Haustüre der Gaststätte
Schinner. Wo sonst der Duft der besten Bayreuther Bratwürste in der Luft liegt, entdecke
ich die witzigen Werbeplakate rund um den Lieblingssnack der Bayreuther: die Bratwurst.
Auch nehme ich zum ersten Mal den Wegweiser zu den Partnerstädten ganz bewusst
wahr. So reihen sich also all die besonderen, kleinen Entdeckungen aneinander, die
Dekorationen und Wappen an den Häusern, die Gedenktafel von Max Stirner, das Relief
des Greif mit Mörser an der Mohrenapotheke, die Bier Liesl, die über den Dächer der
unteren Maxstraße ihre Maßkrüge jongliert, …
Wer hätte gedacht, dass sich auf einmal so viel entdecken lässt, wenn man einmal mit
einem neuen Blickwinkel durch die Straßen läuft? Es ist vielleicht nicht festlich, aber
definitiv wunderschön. Und man kann immer wieder etwas Neues erfahren.
Ich freue mich sehr auf den Tag, wenn wieder Leben in die Stadt einzieht und buntes
Treiben herrscht, wenn die Marktleute ihren Waren anbieten und Kinderlachen zu hören
ist. Wenn wieder Musik durch die Gassen klingt und der Duft von Bratwürsten in der Luft
liegt. Die stillen Details werden bleiben und auch dann noch darauf warten, von uns
aufgespürt zu werden.
Und bis es soweit ist, lohnt es sich nach ihnen zu suchen und auf Entdeckungsreise zu
gehen.