Seit dem letzten gemeinsamen Spaziergang ist einige Zeit vergangen. Wie habe ich mich nach neuen Geschichten von der Markgräfin Wilhelmine gesehnt! Doch heute treffen wir uns endlich wieder. Aber dieses Mal nicht zu einem Stadtrundgang, sondern zu einer Besichtigung, und zwar der des Markgräflichen Opernhauses.
Wir stehen vor dem Sandsteingebäude. Bewundernd blicke ich auf die Fassade, und auch Wilhelmine wirkt gerührt. Stolz berichtet sie: „Das Opernhaus habe ich extra anlässlich der Hochzeit meiner Tochter Elisabeth Friedericke Sophie mit Herzog Karl Eugen von Württemberg bauen lassen. Das war im Jahr 1744, und fertiggestellt wurde es 1748. Ich habe die Besten der Besten für den Bau versammelt. Für die Innengestaltung des Opernhauses sind extra die Brüder Giuseppe und Carlo Galli da Bibiena beauftragt worden. Sie haben beispielsweise auch das Opernhaus am Zwinger in Dresden erweitert. Jetzt gehen wir aber erst einmal hinein.“ Verstohlen wischt sich Wilhelmine eine Träne aus den Augen. Vermutlich sind ihr Erinnerungen an längst vergangene Zeiten mit ihrer Tochter hochgekommen.
Wir betreten das Opernhaus. Ich bin sehr gespannt, was mich hier drinnen erwartet, nachdem es mir so groß angekündigt wurde. Einen Moment später werden meine Erwartungen aber schon enttäuscht. Der Eingangsbereich hat nichts von dem wunderschönen Glanz und der besonderen Architektur, die ich erwartet habe. Doch Wilhelmine drängelt und zieht mich weiter. Wir gehen einen Gang entlang. Auch noch nicht sonderlich beeindruckend. Aber dann gehen wir durch eine Tür und ich bleibe, wie vom Donner gerührt, stehen. Ich stoße ein leises „Wow“ aus. Ich bin überwältigt. Was für ein Glanz und erst die blauen und goldenen Farben, die von überall zu strahlen scheinen. „So wie es dir jetzt geht“, erzählt Wilhelmine, „so ging es den Menschen damals auch. Ich habe mein Opernhaus absichtlich so bauen lassen. Die Fassade sollte für damalige Verhältnisse schlicht sein ebenso wie die ersten Räume. Viele der Hochzeitsgäste kamen mit Vorurteilen nach Bayreuth. Was erwartet man schon von einer Hochzeitsfeier in der Provinz? Doch alle Vorurteile habe ich mit einem Schlag widerlegt, da jeder, der den Saal betrat, hin und weg von seiner Schönheit war. Die Hochzeitsfeierlichkeiten waren im Übrigen die Prächtigsten, die die Markgrafschaft jemals erlebt hat.“ Ich lasse meinen Blick über die Logen wandern. Mein Blick bleibt an der Fürstenloge hängen, die sich direkt gegenüber der Bühne befindet. Diese ist natürlich am prachtvollsten verziert. Die Markgräfin bemerkt meinen Blick und fragt: „Sicher denkt ihr nun, dass ich bei den Aufführung dort den besten Blick hatte, aber da täuscht ihr euch.“ Ich blicke sie verwundert an. „War das denn nicht der Fall?“, frage ich sie. Wilhelmine lacht und erzählt, wie es zu ihrer Zeit wirklich war: „Damals hatten wir nur Kerzen für die Beleuchtung des Saals, nicht diese seltsamen, neuartigen Lampen, die man nicht einmal mit einem Streichholz anzünden kann. Bei einer Aufführung wurden die Kerzen unter anderem vorne am Bühnenrand aufgestellt, um das Stück zu beleuchten. Nun ja, das Schauspiel war dadurch zwar beleuchtet, aber es herrschte auch eine sehr starke Rauchentwicklung, die sich wie ein Schleier vor die Bühne legte. Ich, als Bauherrin, habe schließlich auch das Recht auf den besten Sichtplatz und der war nun mal direkt auf der Bühne. Dort am Rand saß ich und habe die Aufführungen genossen. Leider hat sich der Ruß auch auf den Innenwänden meines Opernhauses abgesetzt und hat die schillernden Farben verdunkelt. Zum Glück habt ihr es restauriert und die ursprüngliche Farbpracht wiederhergestellt.“
Wir nehmen in der ersten Reihe Platz und lassen die Pracht noch etwas auf uns wirken…