Wer hätte gedacht, dass spazieren gehen sich einer so schnell wachsenden Beliebtheit erfreut wie jetzt in der Corona-Zeit? Auch ich gehe zurzeit viel und gerne spazieren, aber heute werde ich den Spaziergang nicht allein machen, denn heute begleitet mich eine der berühmtesten Frauen Bayreuths: die Markgräfin Wilhelmine. Sie wuchs als preußische Prinzessin auf und wurde mit dem Markgrafen Friedrich von Bayreuth-Brandenburg verheiratet, so kam sie nach Bayreuth. Zum Glück, würde ich sagen, da sie eine stilsichere Bauherrin war und etliche Bauwerke in und um Bayreuth erschaffen hat. Aber genug der Vorrede, beginnen wir mit unserem Rundgang.
Wir fangen an dem Ort an, den Wilhelmine als erstes, bei Ihrer Ankunft in Bayreuth, erblickt hat und zwar dem Schlossberglein. Der Schlossturm ragt hinter den Gontardhäusern auf und einen Teil des Alten Schlosses kann ich auch erkennen. Ach, wie schön! Doch neben mir rümpft Wilhelmine nur die Nase. Sie wirkt nicht sonderlich begeistert von diesem Anblick, eher im Gegenteil. Ich frage sie nach dem Grund. „Bei meiner Ankunft 1732“, erzählt sie, „war ich nicht sehr angetan von Bayreuth. Ein Grund hierfür war das Alte Schloss, bzw. dessen Innenausstattung. Als ich mich, nach den langen Reiseetappen von Preußen nach Bayreuth, erschöpft auf mein Himmelbett fallen lassen wollte, hörte ich ein Knarren und kurz darauf fiel ich in einer hohen Staubwolke auf dem Boden. Das Bett war zusammengestürzt. Kein schöner Start!“ Des Weiteren erfahre ich, dass Wilhelmine mit der Gesamtsituation nicht zufrieden gewesen ist. Sie war in der Provinz gelandet. Dort, wo man von Kunst, Poesie und Architektur noch nicht einmal gehört hatte. Ich erwidere daraufhin, dass sie aber auch mit den sehr hohen Ansprüchen des preußischen Hofes aufgewachsen war. Daraufhin zuckt sie die Schultern und meint: „Einer preußischen Prinzessin gebührt nun einmal das Schönste des Schönsten.“
Und das sollte sie einige Jahre später auch bekommen. Als, auf nicht restlos geklärte Weise, das Alte Schloss brannte, konnte die Markgräfin ihre Träume von einem neuen Schloss verwirklichen.
Doch jetzt werde ich von Wilhelmine zur Eile getrieben. Ich möchte schließlich noch weitere Ausschnitte aus ihrem Leben kennenlernen. Nachdem wir beim Sternplatz angekommen und die Ludwigstraße entlanggelaufen sind, kann ich es schon sehen: das Neue Schloss. Stolz heißt mich die Markgräfin willkommen. Schließlich war sie bei diesem Bauwerk federführend. Sie berichtet augenzwinkernd, dass der Hofbaumeister Joseph Saint-Pierre etwas geschummelt hat. Denn das Neue Schloss wurde gar nicht vollständig neu gebaut. Häuser, die vorher schon dort standen, wurden einfach in das Gesamtkunstwerk eingefügt. Ich gehe noch einen Schritt näher an das Schloss heran und tatsächlich, an manchen Stellen lassen sich die ehemaligen Häuser noch erkennen. Ganz schön praktisch, wenn man mit der Bauherrin unterwegs ist. Sie schwärmt mir noch von den wunderschönen Räumen im Inneren des Schlosses vor. Gerne würde ich jetzt einen Blick hineinwerfen, aber das muss Corona bedingt leider ausfallen. Aber Vorfreude ist bekanntlich auch die schönste Freude, deswegen warte ich gerne noch etwas.
Das war heute ein besonderer Spaziergang, doch jetzt bin ich erst einmal geschafft von den ganzen Eindrücken. Mit einem Coffee-to-go in der Hand verabschiede ich mich von der Markgräfin und schaue ihr hinterher, wie sie mit ihrer natürlichen Grazie über die Straße schwebt. Ich rufe ihr noch ein „bis bald“ nach…