Auch Alexander von Humboldt lebte und wirkte seinerzeit in Bayreuth.
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Alexander von Humboldt und Bayreuth 1792 bis 1797 (von Stephan Müller)
Ich gehe vielleicht schon in drei Wochen nach Bayreuth, nach dem Fichtelgebirge. Ich habe den ehrenvollen Auftrag, die natürliche Beschaffenheit beider Markgrafentümer geognostisch und bergmännisch zu untersuchen; es sind mir fürs erste nur acht Wochen ausgesetzt, um bloß alles zu bereisen und dem Minister eine allgemeine Übersicht zu geben. Was dann erfolgt, ob ich ganz da bleibe (und Berghauptmann!! werde) oder nach Schlesien gehe, ist jetzt ganz ungewiss.
Alexander von Humboldt an Karl Freiesleben, Berlin 4. Juni 1792 (In Jugendbriefe, S. 190) [1]
Alexander von Humboldt war seine Vorfreude in dem Brief vom 4. Juni 1792 an seinen Jugendfreund Johann Karl Freiesleben deutlich anzumerken. Gerade erst hatte er sein Studium an der Bergakademie Freiberg abgeschlossen und schon wartete ein hochrangiger und verantwortungsvoller Posten in Bayreuth auf ihn.
Denn nur wenige Wochen vorher hatte der Markgraf Karl Alexander seine beiden Fürstentümer Ansbach und Bayreuth gegen eine Leibrente von jährlich 300.000 Gulden an Preußen abgetreten. Als Gouverneur für die neue preußische Provinz wurde Karl August Freiherr von Hardenberg eingesetzt, der, um möglichst schnell für preußisches Recht und Ordnung zu sorgen, für alle Bereiche preußische Spitzenbeamte und herausragende Absolventen nach Bayreuth holte.
Hardenberg und der für den preußischen Bergbau zuständige Minister Friedrich Anton Freiherr von Heinitz sahen in dem jungen Alexander von Humboldt, der gerade erst als Assessor cum voto im preußischen Bergdepartement angestellt wurde, den idealen Mann, um den darniederliegenden Bergbau im Fichtelgebirge zu inspizieren.
Humboldts erste Bestandaufnahme
Alexander von Humboldts erster Auftrag war eine Bestandsaufnahme der Gruben und Hütten in den neuen preußischen Provinzen. Am 26. August 1792 legte Humboldt den Freiherren von Heinitz und von Hardenberg – zunächst mündlich, später schriftlich — seinen umfassenden Bericht seiner Inspektionsreise vor.
Sie waren von Humboldts präzisen Ausführungen, Analysen und Verbesserungskonzepten angetan und übertrugen ihm sofort die Leitung des Berg- und Hüttenwesens in Bayreuth.
Voller Stolz berichtet Humboldt seinen Freund Johann Karl Freiesleben in einem Brief vom 27. August 1792:
Ich bin gestern zum königlichen Oberbergmeister in den beiden fränkischen Fürstentümern ernannt worden. Alle meine Wünsche, guter Freiesleben, sind nun erfüllt. Ich werde von nun an ganz dem praktischen Bergbau und der Mineralogie leben.
Humboldt an Karl Freiesleben, Bayreuth, 27. August 1792
(In Jugendbriefe, S. 209) – Hervorhebung durch Humboldt [2]
Der Dienstantritt in Bayreuth
Am 30. Mai 1793 trat er seinen Dienst als Oberbergmeister im preußischen Oberbergdépartement in Bayreuth an.
In welchem Gebäude das Oberbergdépartement untergebracht war, kann heute auch das Bayreuther Stadtarchiv nicht mehr feststellen. Denkbar ist, dass Humboldts Dienstsitz in der ehemaligen markgräflichen “Kanzlei”, deren vier großen Bürogebäude zur heutigen Regierung von Oberfranken gehören, war. Möglicherweise aber im Alten Schloss, in dem auch heute das Bergamt Nordbayern seinen Sitz hat.
Aus Bayreuth schreibt Humboldt an Freiesleben:
Ich habe mit meinen Grubenberichten so viel Ehre eingelegt, dass ich die alleinige Direktion des Bergbaus in den drei Bergämtern Naila, Wunsiedel und Goldkronach erhalten habe.[3]
Hoch zu Ross besuchte und inspizierte er die Reviere und technischen Anlagen und widmete sich mit voller Kraft um die ihm anvertrauten Bergämter. Nacheinander führte Alexander von Humboldt im Februar und März die etwa einwöchigen Generalbefahrungen in Goldkronach, in der preußischen Enklave Kaulsdorf, in Naila und Wunsiedel durch. In den Betriebsanalysen stellte er schnell die Mängel fest, lieferte Verbesserungsvorschläge. Die Maßnahmen wurden erfolgreich umgesetzt. In kürzester Zeit gelang es Humboldt, die maroden Bergwerke profitabel zu machen.
Humboldt wurde nicht nur von seinen Vorgesetzten gelobt, sondern er war auch bei den Bergleuten sehr beliebt und wurde respektiert. Er versuchte, den Lebensstandard und die Absicherung der Menschen mit Büchsengelder für Witwen und Waisen von verunglückten Bergleuten zu verbessern und sorgte dafür, dass Überschüsse der Bergämter in eine Bergbau-Hülfskasse eingezahlt werden, um in Not geratene Bergleute finanziell zu unterstützen und den gemeinen Bergmann selbst mehr auszubilden.
Die erste Bergschule
Er gründete im November 1793 aus eigenen Mitteln in Steben eine freie königliche Bergschule, um das junge Bergvolk zu verständigen und brauchbare Bergleute heranzubilden.
Für 30 Gulden, einen Simmer Korn sowie freies Holz und Licht wurde Georg Heinrich Spörl aus Naila als Lehrer angestellt.[4] Einen jungen und klugen Schichtmeister, der nicht nur sehr gute Fachkenntnisse besaß, sondern auch den Dialekt im Fichtelgebirge verstand.
Wenn man so will, entstand damit vor 225 Jahren die erste Berufsschule in Deutschland, in der die Schüler zwischen elf und 16 Jahren, zum Teil aber auch erheblich ältere Bergmänner, eifrig am Unterricht teilnahmen. In keinem anderen Bergrevier wurden junge Männer aus dem Bergbau in der damaligen Zeit so fundiert und praxisbezogen ausgebildet wie in Steben.
Dafür stellte Alexander von Humboldt selbst verfasste Lehrbücher und Nachschlagewerke zur Verfügung und entwarf sogar Handreichungen, Skizzen und Modelle für den Unterricht.[5]
Auf dem Stundenplan standen:
- bergmännisches Rechnen
- Geologie und Gebirgskunde
- Geschichte des Bergrechts
- Grundwissen über Grubenwasser
- Wetter und Heimatkunde
- Lagerstätten
- Schön- und Rechtschreiben
Die Schulzeit endete mit einer öffentlichen Prüfung und Auszeichnung der besten Schüler, die als Steiger im Fichtelgebirge und Frankenwald Anstellung fanden.
Das Fernweh von Alexander von Humboldt siegte
Ab Mitte 1794 merkte man Humboldt in seinen Briefen mehr und mehr seinen Wunsch nach großen Reisen und Forschungen an. Er teilt Friedrich Schiller in einem Brief vom 6. August 1794 mit:
Vielleicht glückt es mir, mich bald ganz los zu machen und der großen wissenschaftlichen Arbeit, die ich mir vorgesteckt und die ich mit Anstrengung verfolge, ganz zu leben.
Am 26. März 1795 bat Alexander von Humboldt um seine Entlassung von seinen Pflichten als Oberbergmeister. Diese Kündigung konnten Karl August von Hardenberg und Friedrich Anton von Heinitz mit einer Beförderung zum Oberbergrat und mehr Freiheiten für wissenschaftliche Reisen noch verhindern.
Das Fernweh ließ Alexander von Humboldt jedoch nicht mehr los. Ich bereite mich jetzt ernsthaft zu einer großen Reise außerhalb Europas vor[6], schrieb er Ende des Jahres 1796 an Abraham Gottlob Werner.
Insgeheim wusste er wohl schon länger, dass die Anstellung in Bayreuth nicht die Erfüllung all seiner Wünsche war. Schade für Bayreuth, dass am Ende sein Fernweh die Oberhand behielt, aber auch ein Glück, sonst wären der Welt seine großartigen späteren Erkenntnisse verloren geblieben!
So schied Humboldt Ende Dezember 1796 auf eigenen Wunsch aus dem Bergdienst aus. Am 24. Februar 1797 verließ er Bayreuth.
Karl August Freiherr von Hardenberg zollte ihm uneingeschränktes Lob. In seiner Denkschrift über die Verwaltung der Fürstentümer Bayreuth-Ansbach schreibt er, dass Humboldts Verdienste um den Bayreuther Bergbau sehr groß sind[7].
GEO-Tour zu Alexander von Humboldt als Bergbeamter in Franken nun komplett
Anlässlich des 150. Todestags Alexander von Humboldts wurde 2019 die GEO-Tour entwickelt und umgesetzt. Insgesamt 18 Infotafeln erläutern das Wirken des jungen preußischen Bergbeamten Alexander von Humboldt an seinen ehemaligen Wirkungsstätten im Fichtelgebirge, im Frankenwald und nun auch in Bayreuth.
In der Bayreuther Innenstadt, im Hof des Alten Schlosses, am frequentierten Durchgang zum Ehrenhof steht nun, nahe des Bergamts, das sich heute im Rückgebäude der Regierung von Oberfranken befindet, die Tafel zum „Oberbergdepartement Bayreuth“. Das Amt war für Humboldt eine Anlaufstelle, der als Bergbeamter im Auftrag des preußischen Königs von 1792 bis 1796 den darniederliegenden Bergbau in Franken zu inspizieren hatte.
Eine weitere Infotafel erwartet die Besucher am Eingang des Ökologisch-Botanischen Gartens der Universität Bayreuth. Bekanntlich machte sich Humboldt, nachdem er den Staatsdienst recht bald quittiert hatte, auf in die bis dato noch wenig bekannte Welt, nach Südamerika, um dort die Natur zu erkunden. Sein Ansatz, Pflanzen und Tiere zu sammeln und zu bestimmen sowie die Geographie und die Atmosphäre zu vermessen und zu analysieren, ist die Basis moderner Wissenschaften wie der Ökologie und Geoökologie. Während seiner Tätigkeit als Bergbeamter in Franken erarbeitete er sich die Grundlagen für seine systematische Arbeitsweise auf der Basis der Erfassung gesammelter Daten.
Anmerkungen
• [1] Ich habe so große Pläne dort geschmiedet – Alexander von Humboldt in Franken, Frank Holl und Eberhard Schulz-Lüpertz, Seite 34
• [2] Ich habe so große Pläne dort geschmiedet – Alexander von Humboldt in Franken, Frank Holl und Eberhard Schulz-Lüpertz, Seite 49
• [3] Alexander von Humboldt und das Bergwesen, Erich Burisch, 1959, Archiv für Geschichte von Oberfranken 39, Seiten 245–291
• [4], [5], [7] ALEXANDER HUMBOLDT IN FRANKEN, Rudolf Endres, Mitteilungen der Fränkischen Gesellschaft Bd. 46, 1999
• [6] Vortrag “Ungeheure Tiefe des Denkens, unerreichbarer Scharfblick und die seltenste Schnelligkeit der Kombination” über Alexander von Humboldt durch den Wissenschaftshistoriker Herbert Pieper, Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie, am 14. Oktober 200 in Bad Steben. Quelle: Uni Potsdam